Friday, September 20, 2024

Naturschutzgebiete mit einem hohen Anteil an Grünland sichern einen hohen Artenreichtum und eine hohe Biomasse von Heuschrecken – The Applied Ecologist

EcologyNaturschutzgebiete mit einem hohen Anteil an Grünland sichern einen hohen Artenreichtum und eine hohe Biomasse von Heuschrecken – The Applied Ecologist


Dieser Beitrag ist hier auch auf Englisch verfügbar.

Dominik Poniatowski und Kollegen beschreiben, wie sie die Umweltfaktoren des Artenreichtums und der Biomasse von Heuschrecken im Grünland bewertet und dabei zwischen Naturschutzgebieten und intensiv genutzter Agrarlandschaft verglichen haben.

Das extensiv genutzte Grünland gilt als Hotspot der Biodiversität in Mitteleuropa. Allerdings wurde insbesondere seit Mitte des letzten Jahrhunderts die Nutzung auf vielen dieser Flächen intensiviert oder das Grünland in Acker überführt oder aufgeforstet. Hierdurch sind viele Grünlandarten regional verschwunden. Eine Möglichkeit zur Erhaltung des restlichen Grünlandes, ist die Ausweisung von Naturschutzgebieten. Die Effizienz von Naturschutzgebieten wird aber nach wie vor kontrovers diskutiert.

Was haben wir gemacht?

Mit dieser groß angelegten Studie, deren Untersuchungsgebiet (UG) eine Fläche von fast 2.000 km² in Mitteleuropa abdeckt, wollten wir herausfinden, ob sich der Artenreichtum und die Biomasse von Heuschrecken im Grünland innerhalb und außerhalb von Schutzgebieten unterscheiden. Gleichzeitig haben wir zahlreiche Umweltdaten erhoben, um die Ursachen für mögliche Unterschiede analysieren zu können. Vorherige Studien haben diesen Aspekt bislang nicht angemessen berücksichtigt. Hierdurch können wir nun klar benennen, welche Maßnahmen ergriffen werden sollten, um im Grünland artenreiche Insektengemeinschaften zu fördern.

Was haben wir herausgefunden?

Mit unserer Studie können wir zeigen, dass im Grünland der intensiv landwirtschaftlich genutzten Normallandschaft deutlich weniger Heuschrecken vorkommen und auch weniger Heuschrecken-Biomasse vorhanden ist als im Grünland innerhalb von Schutzgebieten. Zudem beherbergen Schutzgebiete mehr gefährdete Arten. Die beobachteten Unterschiede haben mehrere Gründe.

Die Sumpfschrecke (Stethophyma grossum) – hier eine Larve – konnten wir für alle untersuchten Naturschutzgebiete nachweisen. In der intensiv genutzten Normallandschaft tritt die Art allerdings nur sehr sporadisch auf © Dominik Poniatowski 

In der Normallandschaft wirkt sich z. B. die hohe Nutzungsintensität negativ auf die Heuschrecken aus. So sind dort fast alle Flächen stark entwässert. Dies ermöglicht eine häufige Mahd. Nur wenige Heuschreckenarten kommen damit zu recht. Zudem fehlen in der Normallandschaft zumeist Heuschreckenarten, die eine hohe Bodenfeuchte für die Eientwicklung benötigen oder sie treten nur vereinzelt auf.

Ein weiterer wichtiger Faktor, der Einfluss auf die Artenzahlen hat, ist die Habitatdiversität. Sie ist in Schutzgebieten deutliche höher als in der Normallandschaft. In Schutzgebieten können auf kleinem Raum z. B. verschiedene Habitate wie mesophiles und feuchtes Grünland, Seggenriede, Sümpfe und Gebüsche angetroffen werden. Schutzgebiete bieten folglich zahlreichen Arten mit teils sehr unterschiedlichen ökologischen Ansprüchen einen Lebensraum.  

Feuchtgrünland im Untersuchungsgebiet © Thomas Fartmann

Welche Maßnahmen bieten sich an?

Normallandschaft

In der intensiv genutzten Agrarlandschaft steht die Produktion von Tierfutter und Nahrungsmitteln an erster Stelle. Maßnahmen zur Förderung der Artenvielfalt sind hier daher nur umsetzbar, wenn sie auch angemessen vergütet werden. Einfache und zugleich sehr wirksame Maßnahmen wären im gemähten Grünland die Reduktion der Schnitthäufigkeit und geringere Düngegaben. Auf regionaler Ebene gibt es bereits einige Beispiele wie die Förderung der Artenvielfalt in Kombination mit einer konventionellen Nutzung funktionieren kann. Derartige Projekte haben bislang aber noch keine flächige Wirkung, da hierfür nur in begrenztem Umfang finanzielle Mittel zur Verfügung stehen.

Eine weitere Naturschutzmaßnahme zur Förderung der Artenvielfalt in der Normallandschaft wäre die Erhöhung der Habitatdiversität. Dies kann beispielsweise durch die Schaffung oder Wiederherstellung von Bracheinseln, Feldrändern, Hecken und Säumen geschehen. Hiervon würden nicht nur Heuschrecken, sondern zahlreiche Artengruppen profitieren.

Schutzgebiete

Mit der Ausweisung von Schutzgebieten soll die dort vorkommende Flora und Fauna erhalten werden. In den Verordnungen der Schutzgebiete werden oft Schwerpunkte gesetzt. Im Untersuchungsgebiet liegt dieser zum Beispiel auf dem Wiesenvogelschutz. Demnach dürfen die Landwirte das Grünland erst nach dem 15. Juni mähen, da die Wiesenvögel zu dieser Zeit in der Regel mit dem Brutgeschäft fertig sind.

Heuschrecken sind eine bedeutsame Nahrungsquelle des Wiesenpiepers (Anthus pratensis) © Thomas Fartmann

Aus unserer Sicht könnte aber auch die Insektenfauna mit einer einfachen Maßnahme gefördert werden. So hat sich in anderen Teilen Mitteleuropas die Anlage von Altgrasstreifen als Naturschutzmaßnahme bewährt. Hier finden viele Tiere nach der Mahd Rückzugsmöglichkeiten und können nach einiger Zeit von dort die gesamte Fläche wieder besiedeln. Ein geringer Anteil von etwa 10 % ungemähtem Grünland pro Parzelle und Mahddurchgang reicht schon aus, um einen spürbaren Effekt für den Naturschutz zu erzielen. Dies würde auch den Zielen des Wiesenvogelschutzes nicht wiedersprechen. Im Gegenteil, Insekten stellen für vielen Tierarten, wie die Wiesenvögel, eine wichtige Nahrungsquelle dar.

Zudem empfehlen wir die Stabilisierung des Wasserhaushaltes durch den Rückbau oder Verschluss von Entwässerungssystemen. Dies ist allerdings deutlich teuer und aufwendiger in der Umsetzung als die Anlage von Insektenschutzstreifen. Vor dem Hintergrund der zunehmenden Dürresommer sollte aber auch über derartige Maßnahmen nachgedacht werden.

Der Sumpfgrashüpfer (Pseudochorthippus montanus) gilt als die anspruchsvollste Feuchtgrünlandart in Mitteleuropa. Wir konnten ihn nur für sehr wenige Naturschutzgebiete nachweisen © Dominik Poniatowski

Wenn es uns nicht gelingt das Wasser in den Flächen zu halten, werden wir nach und nach die typischen Arten des Feuchtgrünlandes verlieren. Die Seltenheit des Sumpfgrashüpfers (Pseudochorthippus montanus) und die hohen Stetigkeiten einiger Trockenrasenarten wie des Nachtigall-Grashüpfers (Chorthippus biguttulus) und des Verkannten Grashüpfers (Chorthippus mollis) verdeutlichen, dass einige Flächen im UG bereits zu trocken sind und dementsprechend dringend Handlungsbedarf besteht.  

Lesen Sie den vollständigen Artikel “Naturschutzgebiete mit einem hohen Anteil an Grünland sichern einen hohen Artenreichtum und eine hohe Biomasse von Heuschrecken” im Journal of Applied Ecology.

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